Neuerliche Diagnose: Ertragskraft der Lebensversicherer schwindet
17. November 2017
Die Ertragskraft der Lebensversicherer ist unter Druck. Wie sehr, hat die Rating-Agentur Assekurata in einem aktuellen „EKG-Check“ untersucht: Der Markt rückt demnach auseinander. Zudem wächst eine Befürchtung: Querfinanzierungen könnten zu Beitragssteigerungen in BU- und RLV-Verträgen führen.
Zum zweiten Mal hat die Rating-Agentur Assekurata die deutschen Lebensversicherer einem „EKG-Check“ unterzogen. Der „Ertragskraft-Garantie-Check“ prüft im übertragenen Sinne, wie stark das Herz der Versicherer im Umfeld rückläufiger Kapitalerträge, steigender Zinszusatzreserve (ZZR) und hoher Garantieverpflichtungen schlägt.
Die Wahrheit liegt unter der Oberfläche
Die Belastungsprobe für die Versicherer schlägt sich dabei in der Break-Even-Nettoverzinsung nieder, welche die Mindestanforderungen an den Kapitalanlageertrag beziffert. Für 2016 lag sie laut EKG-Check mit durchschnittlich 3,15% erneut oberhalb der Drei-Prozent-Marke. „Dies bedeutet, dass eine Nettoverzinsung unter 3,15% rechnerisch zu einem negativen Branchen-Rohüberschuss geführt hätte“, erläutert Lars Heermann, Bereichsleiter Analyse bei Assekurata. Faktisch wurde diese Hürde mit 4,34% aber um 1,19 Prozentpunkte überschritten. Diese Differenz spiegelt sich in der so genannten Nettoverzinsungsmarge wider, die den Saldo zwischen der tatsächlichen Nettoverzinsung und der Break-Even-Nettoverzinsung abbildet, stellt Assekurata dar.
Die Analysten legen aber auch offen, dass diese Nettoverzinsungsmarge nur vermeintlich komfortabel ist und lenken den Blick darauf, dass die meisten Anbieter zur ZZR-Finanzierung hochverzinste Altpapiere veräußert und dadurch bilanzielle Bewertungsreserven gehoben haben. „Dieses Vorgehen beeinträchtigt den Bestandszins der Kapitalanlagen und die Güte der Bilanzstruktur“, so Heermann.
Abweichungen rühren vom jeweiligen Geschäftsprofil her
Zudem fällt die Höhe der Nettoverzinsungsmarge bei den einzelnen Versicherern laut EKG-Check sehr unterschiedlich aus. Es gibt eine Spreizung zwischen 0 und vereinzelt weit über 10%. Die Abweichungen lassen sich einerseits mit dem Grad von Bewertungsreserveauflösungen erklären, aber auch die Profitabilität des jeweiligen Versicherungsbestandes spielt eine Rolle. Die Gesellschaften mit besonders hohen Nettozinsmargen profitieren dabei überproportional von einer geringen Zinsabhängigkeit ihres vorhandenen Geschäftsmix.
„Insbesondere Lebensversicherer mit hohen garantiefordernden Altbeständen im Altersvorsorgebereich spüren die Auswirkungen des Niedrigzinsumfeldes“, stellt Assekurata-Geschäftsführer Dr. Reiner Will fest. „Dagegen haben Gesellschaften mit hohen Anteilen im Bereich der Biometrie oder der nicht-traditionellen Altersvorsorge weniger Zinslast zu tragen.“ In den nächsten Jahren könnten die Nettoerlöse aus der Kapitalanlage, selbst bei neuerlichen Bewertungsreserveauflösungen, weiter schrumpfen, befürchtet Reiner Will.
Auswirkungen auf BU und Risikoleben?
Der Ertragspuffer der Versicherer sinkt nach Einschätzung von Assekurata tendenziell weiter. Und je weiter die Kapitalerträge sinken, umso mehr rücken andere Ertragsquellen in den Vordergrund. Das könnte weitreichende Folgen haben. „Dies erhöht den Druck auf alternative Ertragsquellen und lässt die Querverrechnungsgefahr zwischen den Ergebnistöpfen steigen“, so Heermann. Hiervon seien dann auch die Kunden einer Risikolebens- oder Berufsunfähigkeitsversicherung betroffen, die im Falle einer Querverrechnung aus dem Risikoergebnis mit höheren Beiträgen zu rechnen hätten.
Ertragskraft in Abhängigkeit von Garantien
Das Ertragskraft-Garantie-Profil (EKG-Profil) und die Ertragskraft-Garantie-Quote (EKG-Quote) sind weitere Darstellungen und Messgrößen in der Assekurata-Studie, für die insgesamt 75 Versicherer untersucht wurden. Zur Ermittlung von Profil und Quote werden die garantiebedingten Rechnungszinsanforderungen mit der vorhandenen Ertragskraft abgeglichen.
Beim EKG-Profil werden einerseits die Komponenten der Ertragskraft und andererseits die Beträge zur Bedienung der Garantiezinsen und der ZZR (Rechnungszinsen) einheitlich an der Deckungsrückstellung als Bezugsgröße relativiert und in ein Koordinatensystem übertragen. Im Ergebnis positioniert sich hier der Marktführer Allianz am stärksten.
Im Marktdurchschnitt bleibt die EKG-Quote mit 343,74% gegenüber dem Vorjahr stabil, was maßgeblich auf die weiterhin starke Bewertungsreservesubstanz zurückzuführen sei, so Assekurata. Der Kennzahlenwert drückt aus, dass das verfügbare Ertragsprofil der Branche theoretisch ausreicht, um die bestehenden Rechnungszinsanforderungen knapp 3,5-mal zu finanzieren, sofern neben den erwirtschafteten Erträgen auch die Hälfte der bestehenden Bewertungsreserven aufgelöst würden. „Zwischen den verschiedenen Lebensversicherern haben wir bei der EKG-Quote allerdings große Unterschiede in einer Spannbreite von rund 200% bis über 1.500% festgestellt“, ordnet Heermann die Ergebnisse auf der Einzelunternehmensebene ein.
Die Studie „EKG-Check 2017 in der Lebensversicherung“ kann kostenpflichtig unter www.assekurata.de bestellt werden. (bh)