Vorsicht Falle: Fallstricke in Versicherungsbedingungen
Von Michael Salzburg, Versicherungsmakler und Mitglied im Lenkungsausschuss des Arbeitskreis Beratungsprozesse
Bei der Analyse von Versicherungsbedingungen stößt der Arbeitskreis Beratungsprozesse immer wieder auf Fallstricke. Denn oft ist das Leben vielfältiger, als dies in den Bedingungen abgebildet ist. Die Folge ist, dass für den Kunden Schutzlücken entstehen. Es liegt deshalb in der Hand der Versicherungsmakler, näher hinzusehe
Versicherungsbedingungen können Fallstricke enthalten. Das liegt meist nicht an der Hinterlist der Produktentwickler, sondern daran, dass Bedingungen die Grenzen des Versicherungsschutzes definieren, nicht aber Schutzlücken vermeiden wollen. In der Praxis treten diese Lücken häufig an der Nahtstelle zwischen verschiedenen Versicherungsverträgen auf. Gute Beispiele hierfür sind etwa Unklarheiten zwischen dem Privathaftpflicht- und dem Berufshaftpflichtvertrag oder zwischen einem Vorvertrag und einen Anschlussvertrag. Probleme können sich zudem auch auftun, wenn Begrifflichkeiten und Definitionen verwendet werden, die außerhalb von Bedingungswerken anders verstanden werden (können), beispielsweise bei dem Begriff „Wohnfläche“.
Beispiel: Mitversicherung von Umbaumaßnahmen …
Ein klassisches Beispiel dafür, wo es Fallstricke gibt, ist die Mitversicherung von (Um-)Baumaßnahmen in der Privathaftpflichtversicherung. Derartige Maßnahmen sind in der Regel mitversichert, teilweise auch deutlich über den üblichen Umfang bis 50.000 Euro hinaus. Jeder Vermittler hat vermutlich schon einmal den entsprechenden „fetten grünen Haken“ in den sogenannten Highlight-Blättern der Versicherer gesehen. Der Teufel steckt hier aber im Detail: Baumaßnahmen sind nur versichert, wenn sie an Immobilien erfolgen, die über den Vertrag des Kunden mitversichert sind. Dafür verlangen die meisten Versicherer, dass die Immobilie „vom Versicherungsnehmer ausschließlich zu Wohnzwecken verwendet“ wird. Das aber ist häufig nicht der Fall. Kauft der Kunde zum Beispiel ein Haus und baut es zur späteren Nutzung um, während er noch in seiner bisherigen Wohnung lebt, ist dieses Haus nicht mitversichert, denn der Kunde wohnt noch nicht dort. Und weil das Haus nicht zu den mitversicherten Immobilien zählt, ist auch die Umbaumaßnahme nicht versichert. Die gleiche Argumentationskette greift auch bei einem Homeoffice: Wird in der Immobilie eine gewerbliche Tätigkeit ausgeübt, dient sie nicht ausschließlich zu Wohnzwecken und ist daher nicht mitversichert, ebenso wenig die Baumaßnahme.… und Abschluss einer Bauherren-Haftpflicht
Der Privathaftpflichtversicherer hat ein legitimes Interesse, seinen Schutz auf den privaten Bereich und die hier üblicherweise vorkommenden Umbaumaßnahmen zu beschränken. Kunden und Vermittlern werden dadurch aber tief gehende Detailkenntnisse über die verwendeten Bedingungen abverlangt. Das Beispiel An-/Umbau lässt sich noch fortführen: Weil kein Versicherungsschutz über die Privathaftpflicht besteht, wird eine gesonderte Bauherrenhaftpflichtversicherung abgeschlossen. Da unabhängig von der Baumaßnahme bereits aus dem Besitz des Grundstücks Haftungsrisiken erwachsen, bietet die Bauherrenhaftpflichtversicherung bedingungsgemäß Versicherungsschutz für „die gesetzliche Haftpflicht als Haus- und Grundbesitzer für das zu bebauende Grundstück und das zu errichtende Bauwerk“. Einige Versicherer legen diese Formulierung wortgetreu dahingehend aus‚ dass Versicherungsschutz nur für zunächst unbebaute Grundstücke besteht, da ein Grundstück, auf dem bereits ein (umzubauendes) Gebäude steht, nicht „zu bebauen“ ist. Bei Um- und Anbauten genießt der Versicherungsnehmer demnach zwar Schutz für die Baumaßnahme, aber nicht als Haus- und Grundstückseigentümer für die Gefahren, die von seinem Grundstück ausgehen.
Beispiel: Rechtsschutzversicherung und volljährige Kinder
Besonders problematisch sind Fallstricke, die erst auftreten, wenn sich Lebensumstände ändern. Schließlich ist den wenigsten Kunden bewusst, dass durch diese Änderung Handlungsbedarf beim Versicherungsschutz entstanden ist. Ein Beispiel hierzu: Die meisten Bedingungen von Rechtsschutzverträgen sehen vor, dass im Privatbereich unverheiratete volljährige Kinder bis zur Vollendung des 25. Lebensjahrs mitversichert sind. Dies gilt, bis sie (erstmalig) eine auf Dauer angelegte berufliche Tätigkeit ausüben und hierfür ein leistungsbezogenes Einkommen erhalten. So weit, so gut. Auch der studierende Filius, der gerade seine erste eigene Wohnung bezogen hat, genießt noch Schutz über den Vertrag seiner Eltern. Das kann sich aber schlagartig in dem Moment ändern, in dem seine Freundin bei ihm einzieht. Ohne dass die Freundin selbst mitversichert wäre und damit das Risiko des Versicherers erhöhen würde, beendet allein ihr Einzug den Versicherungsschutz des Sohnes im Vertrag seiner Eltern. Dafür sorgt der Bedingungspassus: „Die Kinder dürfen allerdings nicht in einer eigenen eingetragenen oder sonstigen Lebenspartnerschaft leben“. In dieser Situation sind unliebsame Überraschungen vorprogrammiert. Vermutlich werden weder die Eltern noch bisher mitversicherte Kinder daran denken, dass jetzt eigener Versicherungsschutz erforderlich ist. Auch der Vermittler wird mangels Kenntnis der veränderten Umstände kaum eine Chance zum Reagieren haben.
Mindeststandards und Risikoanalysebögen des AK Beratungsprozesse
Es gibt noch eine Vielzahl weiterer Fallstricke. Dies hat den Arbeitskreis Beratungsprozesse (AK) dazu veranlasst, auf seiner Internetseite www.beratungsprozesse.de einen Blog einzurichten, der sich regelmäßig mit diesen Themen befasst. Außerdem fordert der AK mit seinen Mindeststandards kundenfreundliche Regelungen für einige potenziell folgenschwere Fallen. Diese Mindeststandards wurden für die einzelnen Sparten im privaten Breitengeschäft und für Berufsunfähigkeitsversicherungen formuliert. Sie finden sich in den Risikoanalysebögen des AK.