Schwere Last auf den Schultern der Lebensversicherer
Ein halbes Jahr nach Einführung von Solvency II hat ASSEKURATA die Situation der Lebensversicherer beleuchtet. Die Ratingagentur erwartet demnach, dass die Zinszusatzreserve in diesem Jahr ein neues Höchstmaß erreichen wird. Die Belastungen für die Lebensversicherer würden damit immer höher. Auch die beschlossene Absenkung des Höchstrechnungszinses für das Neugeschäft werde wohl nur wenig zur Entlastung der Versicherer beitragen, so die ASSEKURATA-Schlussfolgerung.
Sechs Monate nach Einführung von Solvency II betätigt sich, dass das neue Aufsichtsregime die Lebensversicherer vor große Herausforderungen stellt. Problematisch dabei ist, dass Versicherer für Kapitalanlagen Sicherheitskapital hinterlegen müssen – je risikoreicher die Anlagen, umso höher das Sicherheitskapital. Nur bringen risikoarme Anlagen, mit denen das Problem umgangen werden könnte, oft nicht ausreichend Rendite, um die hohen Garantieverpflichtungen aus Altverträgen zu übertreffen. „Vor diesem Hintergrund wird es für die Unternehmen immer schwieriger, die Kapitalbindungsdauer der Kapitalanlagen an ihrer Verpflichtungsseite auszurichten“, warnt Lars Heermann, Bereichsleiter Analyse und Bewertung der ASSEKURATA Assekuranz Rating-Agentur GmbH.
Selbst die nun beschlossene Absenkung des Höchstrechnungszinses auf 0,9% ab 2017 werde an dieser Stelle keine große Entlastung oder einen Ausgleich bringen, rechnet die ASSEKURATA in ihrer aktuellen Marktstudie vor, denn die Nachfrage nach klassischen Garantieprodukten im Neugeschäft breche ein. Die hohen Garantien bleiben im Bestand, wesentlich weniger kommen mit dem niedrigen Garantiezins nach.
Zinszusatzreserve belastet immer mehr
Schon in den vergangenen Jahren hat die Zinszusatzreserve (ZZR) zu erheblichen Belastungen der Versicherer geführt. Die ZZR müssen Versicherer seit 2011 bilden, um einer möglichen Finanzierungslücke entgegenzuwirken, wenn Altverträge mit hohen Garantien fällig werden. Bislang seien insgesamt bereits etwa 32 Mrd. Euro in diesen Topf geflossen, so ASSEKURATA. 2016 könnten es 14 bis 15 Mrd. Euro sein – ein neues Höchstmaß nach rund 10 Mrd. Euro im Bilanzjahr 2015. Würde man an der bisherigen Berechnungsmethodik der ZZR festhalten, würde dies zu immer höheren Nachreservierungen führen. Nach ASSEKURATA-Berechnungen könnte 2025 die ZZR marktweit auf rund 225 Mrd. Euro anwachsen. Das grundsätzlich wirkungsvolle Instrument würde damit immer mehr zur Belastung erklärt Heermann. Und weiter: Das zugrunde liegende Referenzzinsverfahren wurde in Zeiten eines zinsfreundlicheren Kapitalmarktumfeldes entwickelt und sollte nun an die extremen Rahmenbedingungen angepasst werden. „Eine generelle Reduzierung der insgesamt zu stellenden Zinszusatzreserve wird der Kapitalmarktsituation nicht gerecht. Jedoch sollte die Geschwindigkeit, mit der dieses Niveau erreicht wird, gleichmäßiger und abgemilderter erfolgen“, so Heermann.
Neue Produktmodelle überfordern
Aufgrund des Niedrigzinsumfeldes hat sich in den vergangenen Jahren bereits eine neue Produktlandschaft entwickelt. Immer mehr Altersvorsorgeprodukte enthalten flexible oder reduzierte Garantieverzinsungen. Einige Versicherer haben sich zudem aus dem Klassik-Geschäft verabschiedet. ASSEKURATA schlussfolgert, dass die zunehmende Produktvielfalt aufgrund der eingeschränkten Vergleichbarkeit die Kunden bei der Auswahl des passenden Produkts zunehmend überfordern. „Somit kommen Altersvorsorgesparer nicht umhin, sich bei der Auswahl den besonderen Produktmerkmalen zu widmen. Dabei dürften insbesondere die weniger investmentaffinen Kunden auf eine qualifizierte Beratung angewiesen sein“, so das Schlussfazit von Stefanie Post, ASSEKURATA-Analystin und Autorin der Untersuchung. (bh)